Normalerweise ist das immer so eine Sache, wenn der Pflichtverteidiger ausgewechselt werden soll.
Oft gelingt es einem inhaftierten Menschen nicht innerhalb der von den Gerichten meist sehr kurz bemessenen Frist einen Verteidiger seines Vertrauens auszuwählen und er bekommt einen dem Gericht genehmen Urteilsbegleiter Pflichtverteidiger bestellt.
Das ist dann ein Problem, denn so einfach ist es nicht, den Pflichtverteidiger wieder los zu werden, wenn man nicht genügend Kleingeld um hat einen Wahlverteidiger zu bezahlen.
Man muss nachweisen, dass das Vertrauensverhältnis zum Pflichtverteidiger gestört ist und es deshalb unzumutbar ist, von diesem weiter verteidigt zu werden. Das ist recht schwer und gelingt äußerst selten.
Oder der Pflichtverteidiger stimmt dem Wechsel zu. Dann kann der Wahlverteidiger beigeordnet werden. Das geschieht aber meist nur, wenn der Wahlverteidiger Verzicht auf die bisher angefallenen Gebühren erklärt. Das bedeutet, dass er noch weniger als die ohnehin schon mickrigen Pflichtverteidigergebühren erhält, wenn der Mandant nicht draufzahlen kann.
Egal wie, ein Pflichtverteidigerwechsel ist fast immer mit Unannehmlichkeiten verbunden.
Umso erstaunter war ich, als ich heute eine dicke Akte vom Jugendschöffengericht bekommen habe.
Beauftragt hat mich die Mutter. Natürlich hat sie kein Geld.
Der Sohn ist in Haft. Seit einigen Monaten. Und natürlich hat er bereits einen Anwalt, mutmaßlich einen Pflichtverteidiger.
Der Sohn schickt mir eine Vollmacht und bittet mich, das Mandat des Kollegen zu kündigen, was ich auch mache. Vom Kollegen höre ich allerdings nichts.
Beim Besuch in der JVA stellt sich heraus, dass eine Vielzahl von Verfahren offen sind und der Kollege zumindest in einem verfahren bereits beigeordnet ist. Wie viele Verfahren es insgesamt sind, weiß der Mandant selbst nicht. Ich bestelle mich in dem einen bekannten Verfahren, woraufhin mir das Jugendschöffengericht noch mehrere andere Anklagen zustellt, was mich schon ein wenig wundert.
In der Akte habe ich dann heute ein Schreiben des Pflichtverteidigers entdeckt, in dem er dem Gericht mitteilt, dass der Mandant auf anraten seiner Familie durch mich vertreten werden wolle.
Und was macht das Gericht? Es entpflichtet ihn und ordnet mich in allen Verfahren bei ohne dass ich eine Entpflichtung des Kollegen oder gar meine eigene Beiordnung beantragt hätte.
Ein Ereignis, das man sich durchaus im Kalender anstreichen sollte.

Vielen ist unbekannt, dass ein Gebührenverzicht beim Pflichtverteidigerwechsel unwirksam ist.
So ist es. Aber wenn man sich als neuer Pflichtverteidiger nicht dran hält, wird der entsprechende Richter das nächste Mal ganz sicher keine Umpflichtung vornehmen.
Wenn sich nach meiner Beiordnung ein Kollege meldet, bei dem der Beschuldigte bereits in „Behandlung“ war, zicke ich eigentlich nicht lange herum.
Ist die Frage, ob der Richter das beim nächsten Mal weiß. Was der Rechtspfleger da abrechnet, interessiert den Richter überhaupt nicht.