Der Rechtspfleger, der gerne kürzt

Nein, eigentlich ist es in diesem Fall kein Rechtspfleger, sondern eine Rechtspflegerin, die mir meine Pflichtverteidigergebühren kürzen will. Und auch in der Vergangenheit – genau zweimal ist es bis jetzt vorgekommen – waren es immer frisch fertig ausgebildete Rechtspflegerinnen, die der Meinung waren, es sei keine Vorverfahrensgebühr entstanden.

Die Pflichtverteidigergebühren berechnen sich wie folgt, wenn man seit dem Ermittlungsverfahren tätig ist:

Grundgebühr, Verfahrensgebühr für das Ermittlungsverfahren, Verfahrensgebühr für das Hautsacheverfahren und Terminsgebühr

Die Grundgebühr entsteht, wenn man dem Mandanten hallo sagt, einen Platz anbietet und sich von ihm erzählen lässt um was es geht. So grob gesagt.

Die Verfahrensgebühr für das Ermittlungsverfahren entsteht, so sehen es jedenfalls alle gängigen Kommentare, wenn man Akteneinsicht beantragt und die Akte bekommt. Spätestens, wenn man die Akte mit dem Mandanten bespricht und eine Verteidigungsstrategie entwickelt, ist sie aber angefallen, die Vorverfahrensgebühr.
So sehen das auch – bis auf drei – alle Kostenbeamten, die in den letzten sieben Jahren meine Pflichtverteidigergebühren festgesetzt haben. Und bei mehreren hundert Strafmandaten pro Jahr, von denen sehr viele Pflichtverteidigungen sind, kommt da was zusammen.

Drei frischgebackene (das habe ich hinterher erfahren) Rechtspflegerinnen haben das anders gesehen. Die Vorverfahrensgebühr wäre nicht angefallen, weil ich ja nur Akteneinsicht gehabt und sonst nichts gemacht hätte. Gut, dass die Damen wissen, was ich gemacht habe und was nicht.

Jedesmal habe ich den RVG-Kommentar kopiert und durchgefaxt. Zur Rechtsfortbildung. Heute auch. Die andern beiden haben dann direkt ausgezahlt. Ich bin gespannt, ob die Kostenbeamtin, der ich heute den Kommentar gefaxt habe, auch auszahlt.

Ich frage mich allerdings, woher solche Anwandlungen kommen, plötzlich kürzen zu wollen, wo es nur geht, oder auch nicht…

3 Comments

  1. Justizknecht

    Sehr geehrter Herr Will
    Zunächst einmal möchte ich Ihnen etwas mitteilen, was Sie vielleicht überraschen wird: Das Gebührenrecht in Strafverfahren ist (zumindest in NRW) nicht Teil des Rechtspflegerstudiums. Das mag Sie überraschen, es mag Ihnen seltsam vorkommen und doch, es entspricht leider der Realität. Dies bedeutet aber eben auch, dass sich jeder Dipl.-Rechtspfleger bzw. jede Dipl.-Rechtspflegerin dieses Wissen im Selbststudium und per „Learning by doing“aneignen muss. Dass junge Kolleginnen und Kollegen hier des Öfteren einmal daneben greifen, mag sie zu Beiträgen wie dem obigen animieren, es entspricht aber nicht dem, was ich mal „Fairness“ nennen möchte.
    In diesem Zusammenhang darf ich Sie auch darauf hinweisen, dass kein Dipl.-Rechtspfleger und keine Dipl.-Rechtspflegerin Beträge absetzt, weil es hierfür Erfolgsprämien gibt oder diese Beträge einem Gehalt hinzugerechnet werden, für das Sie morgens nicht einmal aufstehen würden. Nein, der die Vergütung festsetzende Dipl.-Rechtspfleger hat den Auftrag, die durch Steuermittel finanzierte Staatskasse nur in der Höhe zu belasten, in der tatsächlich Kosten entstanden sind. Hieraus ergibt sich eine Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler, also letztlich auch Ihnen gegenüber. Ganz schöne Zwitterstellung die Sie da also haben. Auf der einen Seite möchten Sie Geld aus der Staatskasse erhalten (und vermutlich auf eine allzu intensive Prüfung der angemeldeten Vergütung verzichten), auf der anderen Seite verlangen sie, dass der Staat sein Geld nicht ohne Rechtsgrund hinauswirft. Mhm….
    Ach ja, nur so nebenbei: der Unterschied zwischen einem Kostenbeamten/ einer Kostenbeamtin und einem Dipl.-Rechtspfleger bzw. einer Dipl.-Rechtspflegerin gehört zu den grundlegenden Kenntnissen der Gerichtsorganisation. Es betrübt mich, dass sie eine solche selbstverständliche Kleinigkeit als so erfahrender Strafverteidiger nicht kennen.
    Vielleicht demnächst einmal etwas genauer recherchieren, bevor Sie wieder Beiträge wie den obigen schreiben.
    Es verbleibt mit freundlichsten Grüßen
    Der Justizknecht

    1. Thomas Will

      Sehr geehrter Justizknecht,

      Vielen Dank für den Kommentar. Und das meine ich ernst. Ich wusste nicht, dass die Kosten im Straftverfahren nicht zur Ausbildung gehören.

      Was Sie vielleicht überraschen mag, ist die Tatsache, dass die Gerichtsorganisation weder im Studium, noch im Referendariat behandelt wird. Und auch in der anwaltlichen Praxis hat man damit nichts am Hut. Mir ist es auch egal, welche Ausbildung derjenige hat, der meine Gebühren festsetzt. Er soll es nur richtig machen.

      Genauso wenig wird gelehrt, wie man seine Kosten berechnet oder geltend macht. Hier gilt learning by doing. Und man macht als Anwalt auch hier immer wieder durchaus Fehler. Aus diesen Fehlern lernt man, weil man diese Fehler am Geldbeutel merkt. Leider merkt man auch die Fehler der Kostenbeamten am Anwaltsgeldbeutel. Und sei es nur dadurch, dass ich Arbeitszeit investieren muss um dem Kostenbeamten zu klären, wie grundlegende Sachen richtig abrechnet werden. Auch dies mag Sie überrasche, Anwälte sind Unternehmer und die Arbeitszeit kostet Geld. Der Kostenbeamten hingegen wird im voraus entlohnt, der Anwalt, der vor der Auszahlung in der locker 1 bis 1,5 Jahre mit seiner Leistung in Vorlage getreten ist, muss dann noch läng auf sein Geld warten, wenn der Kostenbeamten nicht weiß was er tut und unsinnige Nachfragen stellt.

      Aber ich scheine es ja dann bisher richtig gemacht zu haben, wenn ich den Kostenbeamten die entscheidenden Stellen aus dem RVG-Kommentar kopiert und übersendet habe.

      1. Justizknecht

        Lieber Herr Will

        Herzlichen Dank für Ihre Antwort zu meinem Beitrag.

        Entgegen Ihrer Vermutung überraschen mich die Ausführungen zu der(voll-) juristischen Ausbildung nicht, da ich das Glück habe, in meinem Verwandtenkreis auch Anwälte und Staatsanwälte begrüßen zu dürfen.
        Mir ist daher durchaus bewusst (wie ich es auch bereits in meinem ersten Beitrag geschrieben habe), dass die eigenen ökonomischen Interessen auf die Prüfungspflicht der Staatskasse prallen. Dass hier ein erhebliches Konfliktpotential lauert merkt man regelmäßig in der Gerichtspraxis, sei es die Pflichtverteidigervergütung, die Prozess-/ Verfahrenskostenhilfe oder die Beratungshilfe. Was aber soll die Konsequenz hieraus sein? Vergütungsanträge nicht mehr zu prüfen? Das halte ich für fragwürdig.

        Übrigens, noch einmal: der Dipl.-Rechtspfleger ist kein Kostenbeamter. Kostenbeamter/ Kostenbeamtin sind Beamte des mittleren Justizdienstes, der Dipl.-Rechtspfleger ist Beamter des gehobenen Justizdienstes. Zwar sind ihm in einigen Bereichen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (z.B. in der Betreuung) Aufgaben übertragen, die originär den Kostenbeamten zuzuordnen wären, dies gilt jedoch nicht für die Strafsachen. Ein wenig haben Sie aber auch hier recht: Die Festsetzung erfolgt vielerorts durch den Dipl.-Rechtspfleger als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, da dies manche Länderverordnungen so vorsehen. Hat aber trotzdem nichts mit den Kostenbeamten zu tun.

        Zur weiteren Information:

        http://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/Stellen/ausbildung/berufe/rechtspfleger/index.php

        Es grüßt herzlichst
        Der Justizknecht

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