Ich verteidige einen Beschuldigten, der im Verdacht steht, Chef einer rumänischen Bande zu sein, die international Einbrüche begehen und Menschenhandel betreiben.
Das Verfahren begann, soweit ich das bis jetzt überblicke, mit ein paar Einbrüchen und einem Informanten, dem Vertraulichkeit zugesichert worden ist.
Das Landeskriminalamt fährt das komplette Programm. Ermittlungsgruppe, TKÜ, IMSI-Catcher, Observationen und so weiter. Es werden die Funkzellen ausgewertet, in denen sich die diversen Tatorte befinden. Konkret bedeutet das, es werden bei allen Providern die Daten von den Tatzeiten abgefragt und dann verglichen, welche Handys waren in allen Funkzellen eingebucht, als eingebrochen wurde. Dabei wird eine Nummer ermittelt. Verausgabt ist die auf jemanden, der keiner Vorstrafen hat und auch ansonsten wohl ziemlich unauffällig ist. Das fällt auch der Polizei auf. Dass das irgendwie nicht so richtig ins Bild passt. Außerdem wohnt der Tatverdächtige in der Nähe aller Tatorte, die allesamt ziemlich dicht beieinander liegen. Man könnte also auf den Gedanken kommen, dass das Handy des tatverdächtigen einfach deshalb immer in Funkzellen am Tatort eingebucht waren, weil er dort wohnt. Vor allem, wenn man weiß, dass Funkzellen nichts Statisches sind. man kann eine Funkzelle nicht abstecken, einen Kreis ziehen, oder sonst was in der Art. Funkzellen überlagern sich, hängen von der Wetterlage ab und hören nicht wie abgeschnitten auf, sondern werden schwächer. Gerade in der Stadt kann es also vorkommen, dass man an ein und derselben Stelle an unterschiedlichen tagen in unterschiedlichen Funkzellen mit seinem Handy eingebucht ist. All das wissen die Beamten, der Staatsanwalt und der Ermittlungsrichter. Trotzdem wird der neue, arme Tatverdächtige munter abgehört. So lange, bis sich herausstellt, dass es sich wirklich um einen unbescholtenen Bankangestellten handelt.
Mir persönlich macht das Angst, wie schnell man abgehört wird und vor allem ohne, dass man jemals davon erfährt. Vielleicht ist es aber auch egal, die USA hören ja sowieso alles mit…

Ihr Mandant hat doch sicher nichts zu verbergen! Und es ist ja nur die Polizei die in seinem Privatleben gräbt!
Richtig, wer nichts zu verbergen hat, dem muss alles Wurst sein. Und deshalb geht auch die Polizeigewerkschaft auf die Barrikaden wegen ein paar lächerlicher GPS Sender an den Fahrzeugen. Ist halt nicht mehr ganz so lustig, wenn man plötzlich selbst überwacht wird. Was die wohl zu verbergen haben?
Na immerhin hat sich herausgestellt, dass er unbescholten ist. Weil er gilt doch so lange als schuldig, bis das Gegenteil bewiesen… oh wait 😉
Ja, irgendwie ging der Spruch anders…ich kann mich aber nicht mehr so genau dran erinnern…
Wie kam denn heraus, dass abgehört wurde? Soweit ich gelesen habe kommen die Ermittlungsbehörden ihrer Informationspflicht nur in seltenen Fällen nach.
Der Betroffene wurde irgendwann vorgeladen, meine ich. Mir ist es nur im Rahmen der Akteneinsicht betreffend meinen Mandanten aufgefallen.
Mir persönlich macht das Angst, wie schnell man abgehört wird und vor allem ohne, dass man jemals davon erfährt.
Das stimmt doch nicht. Benachrichtigungspflicht ergibt sich aus § 101 StPO.
Wenn das natürlich dort so steht, wird das selbstverständlich auch immer gemacht…
Ach Herr RA Will, das war doch einfach ein Bauchplatscher ihrerseits. Da sollte man dann auch mal zu stehen und könnte zum Beispiel schreiben „Mensch, das ist ja ein Ding, habe ich noch nicht gewusst. Dolle Sache“. Oder es einfach lassen. Aber das können Strafverteidiger oft nicht, weil sie recht haben müssen, selbst wenn sie großen Unsinn reden oder schreiben.
Ja, es wird so gemacht. Die Polizei führt umfangreiche Listen, danach wird ausgewertet, wer benachrichtigt werden muss. Das ist eine Heidenarbeit, ggf. muss zurückgestellt und dazu ein richterlicher Beschluss eingeholt werden.
Dauer und Umfang von TÜ ist regelmäßig Gegenstand von Parlamentarischen Anfragen, dann flöht das Justizministerium die abgelegten Ermittlungsakten durch und macht Auswertungen. Im Übrigen werden doch Sie selbst schon genug Akteneinsicht gehabt haben – zeigen Sie eine Akte, in der die Benachrichtigung unsauber war, „SB § 101“ wäre die richtige Fundstelle.
Schade, dass Sie meine Antwort nicht verstanden haben…
Der Ironie-Tag fehlte. Ich habs aber auch ohne verstanden.
Ich war davon ausgegangen, dass es auch ohne zu verstehen war…war ja eigentlich nicht so schwer…
Übrigens werden natürlich Verteidigertelefonate auch immer direkt gelöscht. Genauso, wie die Benachrichtigungen durchgeführt werden. Nur so am Rande.
Tja, das mit dem schnellen Löschen der Verteidigertelefonate war ja im Saarland nicht immer so.
Vor ziemlich genau zehn Jahren hatte das LKA im Rahmen des Ermittlungsverfahrens „Herzbube“ auch Telefonate zwischen einem der später verurteilten Täter und einem seiner Verteidiger abgehört, und die Transkripte gar in die TKÜ-Akte geheftet. Das hatte mich bei späterer Akteneinsicht gelinde gesagt verwundert. Immerhin gab es als Folge dann eine Anweisung, solche Gespräche zukünftig nicht mehr Aufzuzeichen bzw. Mitzuhören.
Letztendlich eine erfolgreiche Ermittlung. Für einen Kriminalisten ist auch der Ausschluß eines Tatverdächtigen ein Erfolg.
LG
Andreas
Wenn man eine Selbstbeauskunftung beim Innenministerium beantragt, steht dann dort solch eine „Verfolgung“ bzw „Beobachtung“ drinnen?