Winnenden

Der Vater des „Amokläufers von Winnenden“ wurde zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.
Ich finde das Urteil leicht irritierend. Meiner Meiner Meinung nach ist das ein Urteil einzig und allein für die Öffentlichkeit. Das Verfahren sollte zunächst eingestellt werden, auf Druck der Öffentlichkeit wurde dann jedoch Anklage erhoben.
Es ist mir absolut unbegreiflich, wie sich der Vater einer fahrlässigen Tötung schuldig gemacht haben soll.
Selbst wenn er von den psychischen Problemen seines Sohnes gewusst haben sollte, wer zieht es auch nur im Entferntesten in Erwägung, dass der Sohn Amok laufen könnte?
Und wenn der Sohn nicht die Schusswaffen zur Verfügung gehabt hätte, dann wäre er halt mit Messern, einem Beil oder einem Auto Amok gelaufen. Zu verhindern wäre es sicherlich nicht gewesen.
Die Konsequenz aus dem Urteil lautet, dass man als Eltern seinen Kindern eigentlich auch kein Auto mehr zur Verfügung stellen dürfte, wenn man weiß, dass diese auch ab und an Alkohol trinken. Baut das Kind dann betrunken einen Unfall und tötet dabei jemanden, ist man dann als Eltern mit „dran“?
Ich bezweifle, dass es den Eltern der Opfer jetzt besser geht. Das sage ich auch immer allen Mandanten, die ich in der Nebenklage vertrete. Egal wie „hart“ das Urteil ausfällt, sie werden sich nicht besser fühlen. Das haben mir auch so bis jetzt fast alle Mandanten bestätigt.
Hinzu kommt, dass die Eltern der Opfer zu vergessen scheinen, dass auch der Vater von Tim K. seinen Sohn verloren hat. Leichtfertig hätte er dessen Leben mit Sicherheit nicht aufs Spiel gesetzt.
Im Endeffekt ist mit dem Urteil niemandem geholfen und zufrieden ist mit Sicherheit auch keiner der Beteiligten. Wieso also das ganze aufwendige Verfahren?

7 Comments

  1. Anonymous

    Das ist das erste Urteil, dass bei einem Amoklauf eine fahrl. Tötung annimmt, bei der Angeklagte nicht einmal persönlich mitgewirkt hat. Insofern ist das ein Novum. Dahinter steckt eine sehr weite Ausdehnung der strafrechtlichen Verantwortung im Fahrlässigsbereich.

    „Selbst wenn er von den psychischen Problemen seines Sohnes gewusst haben sollte, wer zieht es auch nur im Entferntesten in Erwägung, dass der Sohn Amok laufen könnte?“

    Offenbar hatte der Sohn genau diese Amoklauf-Fantasien in der Therapie beschrieben. Von daher finde ich das nicht überraschend, dass man hier die subj. Vorhersehbarkeit auch annimmt.

    Dass das für Eltern wohl immer nie (subjektiv) vorhersehbar sein wird, dass sich das Kind umbringen wird, steht sicherlich auf einem anderen Blatt. Aber die Konsequenz, dass man bei psych. Problemen mal lieber nicht die Waffen im Haus frei zugänglich macht und den Jungen noch zum Schießtraining mitnimmt, sollte man einfach ziehen müssen, auch als Vater.

    Im Übrigen ist das Gefährdungspotential bei Schusswaffen natürlich ungleich höher. Mit einer Machete Menschen zu töten ist eine ganz anderes Tötungserfahrung als anonym durch die Tür zu schießen.

    Es ist auch kein Zufall, dass die Schusswaffen bei Amokläufen immer aus dem privaten/heimischen Umfeld kamen. Keine illegal beschaffte Waffe war dabei.

    Das Gericht hat hier mit dieser Auslegung sicherlich Neuland betreten und will wohl damit auch den schlechten Umgang mit Waffen deutlich betonen. Zur letzten Konsequenz, nämlich der Verhängung einer Freiheitsstrafe über 2 Jahre, ist es dann aber nicht gelangt. Das ist in Anbetracht der Folgen doch irgendwie inkonsequent.

  2. SvenK

    Der Vergleich mit dem PKW hinkt so krass, der muss schon kriechen. Die Äußerung von Tötungsphantasien und der gelegentliche Konsum von Alkohol sind jawohl zwei völlig verschiedene Dinge.
    Sollte der Sproß allerdings bereits durch Alkoholfahrten aufgefallen sein, liegt darin auch eine gewisse Voraussehbarkeit und ein guter Grund, ihm das Auto zumindest nicht zur Verfügung zu stellen.
    Soviel zum PKW. Was der nun mit einer Schußwaffe, deren ordnungsgemäße Aufbewahrung ganz klar geregelt ist, zu tun haben soll, wird mir nicht klar.

  3. Leon Seischab

    Ich sehe das Urteil genauso kritisch wie Sie. Der Vater muss schon genug leiden. Wo hier ein sinnvoller Strafzweck liegen soll, ist mir schleierhaft.

    Gruß Leon

  4. Anonymous

    Was SvenK sagte. Und zwar sehr eindeutig.

  5. Anonymous

    Das, was bei Fahrlässigkeitsdelikten strafloses von strafbaren Verhalten unterscheidet, ist der Erfolgseintritt. Kann man als willkürlich empfinden.

  6. Anonymous

    Der Vergleich mit dem KfZ trifft: Wer sein Fahrzeug ungesichert lässt, begeht eine fahrlässige Tötung, wenn damit ein Schaden durch eine nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigte Person angerichtet wird, ein fahhrlässiges Delikt (vgl. BGH VRS 20 282, Hamm NJW 83, 2456 [Entwendung des Fahrzeugschlüssels aus der Hosentasche des betrunken an der Theke eingeschlafenen Täters]).

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