Ich habe heute in einer Strafsache am Schwurgericht verteidigt. Meinem Mandanten wurde versuchter Totschlag in zwei Fällen vorgeworfen. Einer der beiden Geschädigten wurde lebensgefährlich verletzt und hat nur durch eine Notoperation überlebt. Beide Geschädigten hatten sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen. Angesetzt hatten wir zwei Verhandlungstage. Nach einem von mir angeregten Rechtsgespräch und einer Verständigung im Strafverfahren, also einem sog. Deal, wurde mein Mandant zu einer Haftstrafe von 2 Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Als Bewährungsauflage zahlt er Schmerzensgeld an die beiden Geschädigten.
Bereits im Rechtsgespräch signalisierten die beiden Nebenklägervertreter, dass sie eine solch milde Strafe ihren Mandanten nicht würden vermitteln können und sprachen sich strikt dagegen aus. Was die Nebenkläger bzw. Ihre Rechtsanwälte von der Strafe halten, ist rechtlich jedoch völlig egal, als Nebenkläger hat man relativ wenig zu melden. Auch der Hinweis des Gerichtes, dass es eben Aufgabe der Anwälte sei, dem Laien, also den Nebenklägern, zu erläutern, wie ein Urteil zustande kommt, hat wohl wenig gefruchtet. Die Nebenkläger haben zwei Entschuldigungen meines Mandanten nicht angenommen. Besser noch, sie haben ihn in der Sitzungspause und nach der Urteilsverkündung bedroht. Die Wachtmeister führten deshalb erst die Nebenkläger und deren Anhang aus dem Hauptausgang und dann den Mandanten und mich aus dem Nebenausgang nach draußen.
Das passt zu meinem Post von gestern, dass es manchmal schwer ist, ein Ergebnis zu vermitteln, weil die Mandanten, oder hier die Nebenkläger, oft Vergleiche zu anderen Verurteilungen ziehen. Aber keine zwei Verfahren sind gleich und keine zwei Täter sind gleich. Und deshalb kann es manchmal angemessen sein, jemanden zu einer Bewährungsstrafe für eine Tat zu verurteilen, für die ein anderer 5 Jahre hätte absitzen müssen.
Gerade bei der Nebenklage sage ich den Mandanten, die eine möglichst hohe Strafe für den Angeklagten erwarten – am besten natürlich lebenslänglich, wenn nicht sogar die Todesstrafe – dass, egal wie hoch die Strafe ausfällt, es ihnen hinterher nicht besser gehen wird.
Nicht zu vergessen: Auch keine zwei Richter sind gleich 😉
Es wird schon so sein, dass es einem Opfer nach einem Urteil mit einer hohen Strafe hinterher nicht besser geht. Ich vermute aber, es geht ihm bei einer aus seiner Sicht zu milden Strafe schlechter als zuvor.
Meiner Erfahrung nach ist den meisten Geschädigten jede Strafe zu niedrig.
Einfach nicht nachvollziehbar, dass bei diesem konkreten Tatvorwurf eine derartig geringe Strafe, die dann auch noch zur Bewährung ausgesetzt wird, verhängt wurde.
Wenn man die, oben geschilderten, Tatfolgen berücksichtigt, wäre eine mehrjährige Haftstrafe wohl angemessener gewesen. Plus Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Er war halt gut verteidigt;-)
Ohne Ihnen zu Nahe treten zu wollen, aber gute Verteidigung alleine kann das nicht erklären. Da spielen auch regionale und sonstige Faktoren eine Rolle. Ich war als Referendar mal bei einer Verhandlung mit meiner Ausbilderin, da wurde unser Mandant für einen versuchten Totschlag, nach vorheriger Provokation / vorherigen Angriff des Opfers, nach § 46a StGB Ausgleich, nach angenommener Entschuldigung und Alkoholisierung beider Beteiligter zu 10 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Aber das war dann halt in Bayern…
Ich gebe zu, bei meinem Kommentar war der Smiley verschwunden…aber es war nicht ganz ernst gemeint.
Mein Beitrag war auch nicht als Kritik an einer Überheblichkeit Ihrerseits gemeint 😉
Aber das verdeutlicht doch mal wieder, wie massiv die Unterschiede in der Rechtsprechung sein können.
Ein erneuter Beweis, dass es inzwischen drei statt zwei Strafarten gibt:
Geldstrafe, Bewährungsstrafe (meistens auf zwei Jahre verständigt) und Freiheitsstrafe.